Sonntag, 15. Juni 2014

Das kolumbianische Lebensgefühl


Ich finde das Lebensgefühl der meisten Kolumbianer hier so beeindruckend, dass ich mir gedacht habe, ich muss einfach einen Blogeintrag darüber schreiben. Vorne herein sei gesagt, dass dieser Text auf Verallgemeinerungen basiert und man selbstverständlich nicht alle Menschen hier über einen Kamm scheren kann. Was ich aber auf meinen Reisen feststellen durfte, sind die Dinge, die die meisten Kolumbianer gemein haben und die möchte ich gerne mit euch teilen:


LIEBE FÜRS ESSEN:
Tamales
Hühnchen, Fleisch und Würstchen!!!
Auf dem Essen liegt eindeutig Priorität. Ohne ein ordentliches Frühstück geht hier am Wochenende keiner auf die Straße. Rührei mit Reis und Arepa, Caldo (Hühnerbrühe) mit Fleisch, Tamal (Mix aus Reis, Mais, Erbsen, Gemüsen) und heiße Schokolade stehen hier ganz oben auf der Hitliste. Mittags gibt es ein ausgiebiges almuerzo (Mittagessen). Ein Mittagessen ohne Reis ist wiederum kein Mittagessen. Standardgericht ist Arroz con Pollo (Reis mit Hühnchen), Kartoffeln und wieder Arepas, Bohnen, Kochbananen,... Generell wird von allem nicht sonderlich viel gegessen, aber dafür eine Menge unterschiedliche Lebensmittel, sodass ich am Ende immer viel mehr gegessen habe, als ich eigentlich wollte. ;) Fleisch ist super wichtig. Genauso wie Hühnchen. So sind in der Lasagne zum Beispiel Hackfleisch und Hühnchen gemischt und Linsen gibt es mit Reis und Hühnchen. Da keiner hungrig ins Bett gehen sollte, gibt’s abends auch nochmal entsprechend die ganze Latte. An Geburtstagen fahren die Kolumbianer auf zuckersüße Torten mit Wunderkerzen ab. Die Begeisterung für Bocadillo, Arequipe, Aguardiente und Softdrinks in 3L-Flaschen darf auch nicht unerwähnt bleiben. Hungrig muss man hier echt NIE durch die Gegend laufen, denn an jeder dritten Straßenecke gibt es ein Wägelchen mit Hot Dogs, Hamburgern oder (wer hätte es gedacht) Arepas. Oft sind Chips, Kaugummis, Erdnüsse, Kekse und viele sonstige Snacks im Angebot. Früchte gibt es immer frisch und wenn man sie bei einem Bauern kauft, weiß man erstens woher sie kommen und zweitens sind sie da auch noch frischer und billiger als im Supermarkt.Säfte gibt es hier auch, aber nicht so wie bei uns aus der Fabrik. Die Säfte sind selbst gemacht. In einer kolumbianischen Küche darf neben einem Reiskocher ein Mixer nicht fehlen. Da kommen einfach die Früchte rein, wahlweise wird Milch darunter gemischt und dann gibt es frischen Jugo!


                                                               MÚSICA:
Heeeeiiiiya!
Wo ein Kolumbianer heimische Klänge hört, kann er nicht still halten. Sobald Salsa, Bachatta, Vallenato, Champeta, oder oder oder ertönt, schwingen hier die Hüften um die Wette. Und es wird Lebensfreude ausgestrahlt, dass sich die Balken biegen. Dass die meisten echt super tanzen können ist kein Wunder: die ganz Kleinen werden schon daran gewöhnt. Man könnte meinen, dass die Kinder vor dem Laufen das Tanzen lernen... Musik und Rhythmus gehören einfach zu den Kolumbianern wie das Wasser ins Meer. Als Durchschnittseuropäerin erblasse ich regelmäßig angesichts der Bewegungskünste der Kolumbianerinnen. Echt beeindruckend. Sonst gehört die Musik natürlich in den Alltag: Ob im Bus, der Fundación, bei Events, auf der Straße oder zu Hause. Was ich hier aber auch mitbekomme und was ich echt taurig finde, ist die Tatsache, dass die junge Generation nicht mehr ganz so viel von den lateinamerikanischen Rhythmen hält. Viele Jugendliche hier hören lieber Reggeaton, Hip Hop oder Rock aus den USA. Der Großteil der Bevülkerung identifiziert sich jedoch mit oben genannter Musik und ich liebe sie mittlerweile!


MÄNNER:
Rosenverkäufer in Cali.
Egal ob kräftige Bauarbeiter auf der Straße, redegewandte Orangenausdrücker am Gehwegrand, bewegungsfertige Künstler an den Verkehrsampeln oder temperamentvolle Taxifahrer. Vor allem die Männer hier sind energiegeladen. Ich muss sagen, dass ich echt mit offenem Mund dastand, als ich das erste Mal junge Kolumbianer in blauen Anzügen mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit Autos in einer Waschstraße putzen sah. Ähnlich ging es mir, als ich mitbekommen habe, wie schnell die Müllabfuhr arbeitet. Fast könnte man das als neue Sportart durchgehen lassen! Doch wo sie auch immer am Arbeiten sind, um einen spitzen Kommentar oder ein nettes Kompliment sind sie sich nie zu schade. Und so kommt es, dass ich auch jetzt nach neun Monaten durch die Straßen laufe und sie sich immer noch nicht an meine Gegenwart gewöhnt haben („Psst“, „Ohh“, „que linda“,...). Neben der Tatsache, dass er sehr kommunikativ ist, muss ein Kolumbianer außerdem ordentlich blechen, wenn es ans Ausgehen geht. Die Frauen zahlen zu lassen, ist ein absolutes NO GO.


                                                                FRAUEN:
Starke Proportionen...
Wie ich schon an früherer Stelle erwähnt habe, können die Kolumbianerinnen tanzen und dabei wahnsinnig gute Laune ausstrahlen. Außerdem zählen sie zu den schönsten Frauen Lateinamerikas, was man von den Männern leider nicht behaupten kann... ;) Schönheits-Ops, gefärbte Haare, lackierte Fingernägel, ein passendes Make-UP,... Das alles ist super wichtig. Was noch eine große Rolle spielt ist Kitsch. Den findet man hier einfach überall vor. Erwachsene sind stolze Besitzer von Handyhüllen mit Mickeymausmotiv, Acessoirs glitzern um die Wette und Dekogegenstände kreischen nur so vor den gewagten Farbkombinationen. Dass das eindeutig NICHT mein Geschmack ist, muss ich glaube ich nicht betonen.




 VIELFALT:
Sowohl in der Natur, als auch was die Leute angeht. Nicht zu Unrecht heißt es, in Kolumbien könne man ganz Lateinamerika auf einmal erleben. Hier gibt es die wilde Pazifikküste, Traumstände am Atlantik, schwülheiße Gegenden, das kühle Bogotá, Schnee auf den 5000ern, trockene Wüsten, grüne Berge, fruchtbares Flachland, geheimnisvollen Regenwald,... Und genauso viele Gesichter wie die Natur hat, haben auch die Menschen hier. In jedem der 32 Departamentos sind die Charaktereigenschaften anders geprägt. Die Santanderianos sind etwas reservierter, genauso wie die Hauptstädtler. Die Costeños sind ständig am Tanzen und haben laut den anderen einen schrecklichen Akzent, die Paisas sollen die freundlichsten Menschen auf Erden sein, die Colombianos aus Tolima und Huila haben die besten Tamales, im Valle regiert die Salsa,...Kolumbien ist einfach ein Land mit unglaublich großer Vielfalt.







FAMILIA:
Die Cousins und Cousinen.
Die Familie ist hier sehr wichtig. In meiner Gastfamilie zum Beispiel treffen wir uns jedes Wochenende, quatschen, gehen ins Kino, essen, spielen,... Mir gefällt das richitg gut. In vielen kolumbianischen Familien ist es wie auch in meiner Gastfamilie so, dass sich die Cousinen und Cousins als Brüder und Schwestern sehen, weil sie sich so gut kennen. Die Familien sind aber auch größer als bei uns. Wo wir in Deutschland eine durchschnittliche Geburtenrate von 1,38 Kindern pro Frau haben, liegt sie in Kolumbien bei 2,2. Die Kinder bleiben auch länger zu Hause wohnen. Es ist durchaus normal, mit 25-30 Jahren noch bei seinen Eltern zu wohnen.


HERZLICHKEIT UND GASTFREUNDSCHAFT:
Als Touri bzw. Gringa wird man hier mit offenen Armen empfangen. Die heißesten Gesprächsthemen sind Orte, die man unbedingt gesehen haben muss, Vergleiche zwischen Kolumbien und Deutschland und natürlich regionale Spezialitäten, die NUR dieses Departamento hat und nirgends so lecker sind wie dort. Weiß ich nicht, wo ich bin oder wie ich weiter kommen soll, frage ich einfach den nächsten Einheimischen und es wird mir bereitwillig Auskunft gegeben. Ich muss dazu sagen, dass besonders meine hellen Haare und die Tatsache, dass meine Augen nicht braun sind, mir oft weiter geholfen haben: Ein Rabatt hier, ein besonderer Tipp dort, eine Frage, ob man mir behilflich sein könne an anderer Stelle.


PATRIOTISMUS:
sí sí - Colombia!!
Mir hat mal ein Student gesagt: „Wir Kolumbianer wissen, dass wir viele Probleme in unserem Land haben, aber wir leben, als würden wir im besten Land der Welt leben.“ Und das stimmt. Die Liebe der Colombianos zu ihrer „tierra querida“ (ihrem geliebten Land) ist groß. Es ist glaube ich noch kein Tag vergangen, an dem ich keine Person im gelben Trikot der Nationalmannschaft gesehen habe. Ebenso ist die Farbkombi gelb-blau-rot ein Verkaufsschlager. Die Kolumbianer LIEBEN einfach ihre Natur, ihre Leute, ihre Selección (Nationalmannschaft – den Fusßball im Allgemeinen), ihr Colombia. Jetzt während der WM sind alle heiß darauf, ihr Team spielen zu sehen. Da laufen Bier und Aguardiente am Straßenrand und in den Häusern in Strömen, es wird getanzt, gelacht, gelebt. Unidos por un país (Vereint für ein Land) – das ist das Motto.

Es gibt noch viele andere Dinge zu erzählen, die hier meinen Alltag prägen. Aber ich denke, so habt ihr schon einiges über die Colombianos gelernt. ;)

Hasta luego, eure Caro

Donnerstag, 5. Juni 2014

San Agustín - unterwegs im Huila (Departemento)

Diesmal habe ich mich in die Welt der alten Steine und saftgrünen Wiesen begeben. Drei Tage habe ich in San Agustín im Departemento Huila verbracht und durfte wieder Einiges erleben. Der Bus machte auf der Hinfahrt viele Stopps und so waren Jean, ein englischsprachiger Franzose, und ich die letzten zwei Insassen, die weiter nach San Agustín wollten. So unkompliziert habe ich meinen Reisegefährten kennen gelernt und genauso unkompliziert haben sich die nächsten drei Tage auch gestaltet:
 
Das Hostel


Die Gassen von San Agustín.










Und was ich vielleicht noch sagen sollte ist die Tatsache, dass alle Figuren unter der Erde waren. Es gab Steinsärge zu sehen, Urnengräber und diese tempelartigen Bestattungsstätten, in denen die Toten sitzend ihren letzten Ruheplatz fanden. Die ganzen Figuren wurden nicht von ihrem ursprünglichen Platz bewegt. Lediglich die Erde, die aufgeschüttet war wurde abgetragen. Da die ganzen Kunstwerke mehrere tausend Jahre alt sind, haben sich Knochen und sonstige menschliche Überreste zersetzt; nicht aber die Keramik, die den Toten mitgegeben wurde.
In und um San Agustín sind zahlreiche Stätten zu finden. Deshalb waren wir auch einmal mit dem Pferd und einmal mit dem Auto unterwegs. Die Stätten wurden zufällig von campesinos (Bauern) entdeckt, die sich wunderten, warum sie ihre Erde so gut bebauen können und dann näher nachgeforscht haben. Eine Ansammlung von Grabstätten wurde von einem Panelalastwagen entdeckt, der eingebrochen ist, weil die Ware so schwer war. Viele Gräber wurden erst in den letzten 30 Jahren entdeckt. Die letzten kamen 1994 ans Licht.
Es gibt männliche und weibliche Figuren. Die einen sind Kämpfer, die anderen weben, beten, ofpern, fischen,... Alle weiblichen Figuren verdecken ihre Genitalien während sie bei den Männern meistens gezeigt werden. Es sind auch Statusunterschiede zu erkennen. Einige Statuen tragen mehr Schmuck als andere. Ein Führer hat uns gesagt: Eigentlich ist San Agustín ein großer Friedhof. Wo er Recht hat, hat er Recht.
 
 
 










Tag 1: Auf die Pferde, fertig, los
Eigentlich habe ich mich immer etwas gegen Pferdetouren geweigert, weil die Pferde, auf denen die Touris hier ausreiten dürfen, oft nicht in besserer körperlicher Verfassung sind als die Straßenhunde vor der Fundación. Da San Agustín aber einer der Orte ist, an denen die Pferde am besten gepflegt werden, konnten Jean und ich auf zwei lebensfrohen Pferden sitzen. Teilweise hat es ordentlich geschaukelt da oben, aber es war eine super Tour: Der Guía (Führer) wusste viel über die Pflanzen, die Gegend und natürlich die Statuen, die wir gesehen haben.
Abends hat es leider geregnet, sodass wir nicht mehr ins Dörfchen runter gehen konnten, weil unser Hostel ziemlich abseits gelegen ist. Schlimm war es jedoch nicht, da es sich hier echt aushalten lies:

Eine betende Figur an einer Opferstelle.
Bei diesem Häutpling ist sogar die Originalfarbe noch erhalten.


Ein typischer Colombiano.
Die gelbe Naturfarbe, die schon die Leute Jahrhunderte v.Chr. verwendet haben.


Carmella und ich ;)


Tag 2: Jeeptour der guten Laune
Um 8:30Uhr sollten wir bereit stehen, eine Stunde später gings dann tatsächlich los. Ein in die Jahre gekommenes Auto, das wie die Faust aufs Auge zu seinem Besitzer gepasst hat und 7 Touris in einem 5-Sitzer. Keiner hat sich groß beschwert; der Österreicher unter uns war sogar froh, dass das Auto in einem so guten Zustand war, weil die Autos in Bolivien noch um einiges heruntergekommener sein sollen (da bin ich mal gespannt auf meine nächste Reise – ich werde es berichten!). Unsere Gruppe war einfach ein super. Alle gut gelaunt, unterschiedliche Nationalitäten und unser Opa-Führer hatte Zeit ohne Ende. So durften wir einen wunderschönen Tag verbringen und haben wirklich viel gesehen:

unsere Truppe.

Tausendfüßler XXL
Am estrecho del Río Magdalena.






Rituale der Vorfahren.
Raffael beim Lulo Schälen.













Tag 3: El Parque Arqueológico de San Agustín
Da wir alle die Gruppe vom Vortag so angenehm fanden, haben wir uns für die Hauptattraktion San Agustíns verabredet. Der Archeologiepark ist eigentlich ein großer Friedhof. Überall stehen Statuen, kleine Steintempel und sonstige jahrtausend alte Kunstwerke. Die Deutschen sind außerdem die dominierenden Touris im Park. Fast 1/4 der Touristen kommen aus Alemania. Dazu muss aber gesagt werden, dass die Kolumbianer 94,4% der Besucher ausmachen! ;)





Smilee!
 

Der Adler mit der Schlange im Schnabel - ein Zeichen der Stärke.























Um Schlussworte zu finden, kann ich sagen, dass ich das verlängerte Wochenende richtig genossen habe. Ich durfte wieder kolumbianische Lebensfreude pur erfahren (Dazu kommt aber noch ein Blogeintrag; das ist schwer zu beschreiben. Man muss es erlebt haben).




Also dann bis bald, un abrazo - Caro